Berlinale: Von undurchdringlichen Wahrheiten
Dominik Kalmazadeh, Der Standard, 22.02.2018
Absurdität zum Bild verfestigt
Einen Todesfall gibt es auch in Aufbruch, mit der Österreicher Ludwig Wüst erstmals auf die Berlinale geladen ist (Sektion Forum). Allerdings ereignet sich dieser zwischen den Bildern, in einem Moment, als die Kamera gerade einen Kreisschwenk vollführt: überraschend und ganz profan. Man muss den Tod als Zuschauer gar nicht direkt erleben, seine Absurdität verfestigt sich indirekt besser zum Bild.
Wüst erzählt eine entrümpelte Geschichte in ebenso kargen Bildern. Es geht um einen vom Regisseur selbst verkörperten Mann und eine Frau (Claudia Martini), deren Wege sich zufällig überschneiden. Sie wurden enttäuscht, sie haben ihre Nächsten verlassen, worüber man jedoch kaum mehr Worte verliert. Einmal gemeinsam unterwegs, kommt man schweigend besser voran. In einem Gefährt, das man früher „Alkoholikerauto” nannte, tuckern sie durch heimisches Niemandsland mit ungewissem Ziel.
Im heimischen Kino ist Wüst ein Solitär, dessen Filme mit minimalistischen Mitteln operieren, aber auch nicht die starke Geste scheuen. Aufbruch durchmischt nun das Schwere und Leichte. Die Passage der Figuren kommt immer wieder in Szenen zur Ruhe, in denen praktische Dinge verrichtet werden – Wüst, selbst gelernter Tischler, fertigt etwa ein Kruzifix. Die Symbolik solcher Objekte wird nur angedeutet, sie wechseln sogar ihre Funktionen. Die Breitwandbilder und ein markantes Sounddesign garantieren, dass man immer mehr in den Sog dieser mythenhaften Fluchtbewegung gerät.
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